Wenn Kommunikation fühlbar wird

Symbolbild taktile Fokuswörter, von Verfassenden zur Verfügung gestelltKommunikation ist ein Grundbedürfnis. Für Kinder, die weder sprechen noch sehen können, wird sie aber zur täglichen Herausforderung. Am SONNENBERG in Baar besuchen auch Schüler und Schülerinnen die Schule, die über keine oder nur sehr eingeschränkte Lautsprache verfügen und zusätzlich eine Sehbehinderung haben. Viele der üblichen Hilfsmittel in der Unterstützten Kommunikation setzen ein gutes Sehvermögen voraus. Für blinde oder stark sehbeeinträchtigte Kinder sind diese Mittel daher kaum nutzbar.

In einem gemeinsamen Projekt mit der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik Zürich wurde nach einer anderen Lösung gesucht. Das Ziel: Kommunikation ermöglichen, die ganz ohne Sehen funktioniert. Entstanden ist die Idee der taktilen Fokuswörter, kurz TaFo – ertastbare Symbole, die aus dem 3D-Drucker kommen und sich in Form, Textur und Farbe unterscheiden. Fünf Wörter aus dem deutschen Kernwortschatz wurden ausgewählt: auch, nochmal, fertig, helfen und selber.

Die Grundidee stammt aus den USA. Am Center for Literacy and Disability Studies der Universität North Carolina wurden bereits 2018 im Rahmen von „Project Core“ erste 3D-Symbole entwickelt, um Menschen mit komplexem Unterstützungsbedarf eine alternative Form der Kommunikation zu ermöglichen. Diese Symbole wurden in Deutschland im Jahr 2020 aufgegriffen und an den deutschen Sprachraum angepasst. Im Rahmen einer Masterarbeit an der Universität zu Köln wurden sie mit dem Fokuswörterkonzept der Unterstützten Kommunikation verbunden. Dieses Konzept nutzt Wörter, die im Alltag besonders häufig gebraucht werden, um einen alltagstauglichen Grundwortschatz aufzubauen.
Das Projektteam in Baar nutzte die Methode Design Thinking. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt: Was brauchen die Nutzerinnen und Nutzer wirklich? Design Thinking ist ein kreativer Arbeitsprozess in mehreren Schritten. Es wird ausprobiert, getestet und verbessert – immer mit dem Ziel, alltagstaugliche Lösungen zu finden. So entstanden fünf Prototypen, die in einem Schulalltag mit sieben Kindern vier Monate lang erprobt wurden.
Ein Beispiel: Ein Mädchen sitzt in der Schaukel. Die Therapeutin schaukelt und hält dann an. Auf einem Holzbrett sind zwei TaFo angebracht – links «nochmal», rechts «fertig». Das Mädchen ertastet die Wörter und nimmt eines ab. So zeigt sie, ob sie weiterschaukeln möchte oder genug hat. Wird die Aktivität beendet, bekommt sie das Wort fertig von der Therapeutin. Mit der Zeit lassen sich mehr Wörter hinzufügen – vorausgesetzt, sie sind immer am selben Ort angebracht.
Die ersten Erfahrungen zeigen: TaFo eröffnen neue Wege in der Kommunikation mit Kindern, die weder sehen noch sprechen können. Vor allem in Spielsituationen und beim Essen konnten die Wörter nochmal und fertig erfolgreich eingeführt werden. Das Projekt erweitert die Möglichkeiten der Unterstützten Kommunikation um eine wichtige Dimension – das Fühlen.

Sonnenberg UK-Support

Neuen Kommentar schreiben